Bei Cybergrooming schnell und richtig reagieren

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Wissen aufbauen, Präventionsarbeit forcieren: Der Fachtag Cybergrooming des Mädchenarbeitskreises brachte Vertreterinnen und Vertreter vieler Bereiche und Institutionen zusammen. Auch Landrat Thorsten Stolz und Hanaus Stadträtin Isabelle Hemsley (6.v.r.) beteiligten sich an der Diskussion.

29. April 2024 - Die Methode ist perfide, das Ziel abstoßend und die Handlung schlicht eine Straftat: Cybergrooming. Das englische Wort steht für sexuelle Gewalt gegen Kinder wie auch die Anbahnung und Verführung von Kindern mit Hilfe verschiedener Strategien, ausgehend vom digitalen Netz, etwa über Spiele und Chats im Netz und Social Media. Die Täter sind meist Erwachsene, geben sich aber oft als Gleichaltrige aus. Im Main-Kinzig-Forum hat der Mädchenarbeitskreis Hanau & Main-Kinzig-Kreis nun einen Fachtag dazu ausgerichtet. Neben den Mitveranstaltern Stadt Hanau und Main-Kinzig-Kreis diskutierten Fachleute von Polizei, Beratungsstellen und Sozialarbeit über Handlungsoptionen.

Die Sprecherinnen des Mädchenarbeitskreises, Ursula Wyrzykwska-Vogt und Susanne Simon-Schramm, riefen die rund 100 Gäste auf, gemeinsam mehr Sensibilität für das Thema zu erreichen und die Präventionsarbeit voranzubringen. „Wir führen diesen Fachtag durch, um interdisziplinär das Thema Cybergrooming zu beleuchten. In Zeiten zunehmender Digitalisierung sind die Risiken für Kinder und Jugendliche im Internet größer denn je“, erklärte Ursula Wyrzykwska-Vogt, Mitarbeiterin im Frauenhaus und in der Beratungsstelle Frauen helfen Frauen Hanau. Susanne Simon-Schramm, Jugendbildungsreferentin des Main-Kinzig-Kreises, wies auf die Fallzahlenentwicklung und die Auswirkungen hin: „Die seit 2018 steil anwachsenden Zahlen haben auch in unserer Arbeit Eingang gefunden. Wiederholt sind wir mit Situationen und Schilderungen von Cybergrooming von Kindern und Jugendlichen konfrontiert worden, mit erheblichen Folgen für die Opfer und ihr Umfeld, und einer großen Sprachlosigkeit dazu. Das hat uns sehr betroffen gemacht.“ Es brauche gerade im privaten Umfeld mehr Mut hinzuschauen und mehr Konsequenz, wenn es Verdachtsmomente von Cybergrooming gibt. Opfer und Familien dürften zudem nicht allein gelassen werden.

Das sahen die Fachleute aus unterschiedlichen Institutionen wie Jugendhilfe, Beratungsstellen, Schulen, Polizei, Justiz und Kinder- und Schulsozialarbeit genauso. Fachliche Impulse brachten drei Referentinnen ein. Jasmin Reinheimer, Staatsanwältin am „Zit“ (Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität), leitete in das Thema ein. Katja Uffelmann-Kreis, Jugendkoordinatorin in der Polizeidirektion Main-Kinzig, lenkte den Blick auf aktuelle Entwicklungen. Die Medienpädagogin Cordelia Moore stellte altersangepasste Ansätze von medien- und sexualpädagogischer Präventionsarbeit mit Kindern und Jugendlichen vor. Zusätzlich stellten der Verein Lawine als spezialisierte Beratungsstelle für Prävention, Beratung und Therapie von Betroffenen von sexueller Gewalt und die Beratungsstelle Hanauer Hilfe als Fachstelle für die Beratung und Begleitung von Opfern und Zeugen von Straftaten ihre Arbeit vor. Moderiert wurde der Fachtag von Yvonne Backhaus-Arnold, Redaktionsleiterin des Hanauer Anzeiger.

Mit Landrat Thorsten Stolz und Stadträtin Isabelle Hemsley unterstrich die Politik die Bedeutung des Problems, das durch die Digitalisierung der Lebens- und Lernwelten von Kindern immer größer werde. „Die Täter sitzen bei den Kindern auf der Bettkante“, fasste es Thorsten Stolz in drastische Worte. Das Internet sei ein Ort mit schier unbegrenzten Möglichkeiten. Das gelte im Guten wie im Bösen. „Wir müssen Kinder und Jugendliche aufklären und schützen vor jenen, die die unbegrenzten Möglichkeiten als Ermutigung und Enthemmung für ihre bösen Absichten betrachten“, so Stolz.

Hanaus Stadträtin Isabelle Hemsley zeigte sich erfreut vom breiten Netzwerk, das sich mit dem Fachtag gründe. „Wir haben eine besondere Verantwortung für unsere Kinder und Jugendlichen, aber auch für die Eltern und Erziehungsberechtigten in den Familien. Wir müssen sie alle mit dem Thema vertraut machen, damit sie im Ernstfall schnell und richtig reagieren“, sagte Hemsley. Es gehe nicht darum, Digitalisierung oder die Nutzung der Digitalgeräte an sich zu verteufeln oder wo es geht zu verbieten. „Vielmehr geht es darum, Medienkompetenz und Empowerment zu schaffen.“

In Deutschland ist Cybergrooming als Begehungsform des sexuellen Missbrauchs von Kindern verboten. Wer Kinder und Jugendliche im Internet mit sexueller Absicht bedrängt, muss mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren rechnen. Das Bundeskriminalamt empfiehlt Eltern, mit ihren Kindern zu sprechen und feste Regeln aufzustellen. Kinder sollen etwa bei der Nutzung von Online-Diensten niemals private Daten wie die Adresse und Telefonnummer mitteilen.

Am Fachtag ging es unter anderem um die Verantwortung von Eltern, Familie und näherem Umfeld. Die Erwachsenen müssten zunächst selbst sensibilisiert werden und im Folgenden die Sinne der Kinder dafür schärfen, dass es Menschen gibt, die sich als Kinder oder verständnisvolle Gesprächspartner ausgeben. Über die Methode müsse aufgeklärt werden, schließlich gehen die Täter äußerst raffiniert vor, um ihr wahres Alter oder ihre wahren Absichten zu verbergen. Vertrauenspersonen sollten mit Kindern beim Thema Cybergrooming auch darüber besprechen, ab welchen Punkten ein Chat gefährlich werden kann, etwa wenn der Chatpartner sie in private Chats locken will, Fotos und Videos verlangt oder Nachrichten mit sexuellem Inhalt versendet.

Der Mädchenarbeitskreis hat als gemeinsames Ziel formuliert, den Aufbau von Wissen und der notwendigen Präventionsarbeit in den nächsten Jahren zu forcieren. Der Fachtag sei dazu ein guter Startpunkt für die Vernetzung der Beteiligten gewesen: „Der Anfang ist gemacht“, waren sich Veranstalterinnen, Schirmherrschaft und Teilnehmende einig.

Hintergrund: Der Mädchenarbeitskreis (MAK)

Der Mädchenarbeitskreis existiert bereits seit den frühen 1980er Jahren und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe von Mädchen im Main-Kinzig-Kreis und der Stadt Hanau zu fördern. Der MAK ist ein freiwilliges, kollegiales Netzwerk von Mitarbeiterinnen in der kommunalen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendhilfe aus dem gesamten Kreisgebiet. Im Arbeitskreis engagieren sich darüber hinaus Vertreterinnen verschiedener Fachberatungsstellen aus Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis, ebenso die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Main-Kinzig-Kreises und die Frauenbeauftragte der Stadt Hanau.

Hintergrund: Wo es neben den Polizeidienststellen noch Hilfe gibt

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